Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an sächsischen Hochschulen

Stellungnahme zum SächsGG

Stellungsnahme zum SächsGG: Barrierefreie PDF-Datei

Stellungnahme zum Referent:innenentwurf des Sächsischen Gleichstellungsgesetzes (SächsGG)

Der Referentenentwurf ist eine Fortschreibung des Gesetzes zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen (Sächsisches Frauenförderungsgesetz – SächsFFG) vom 31. März 1994.

Die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an Sächsischen Hochschulen (LaKoG Sachsen) vertritt die Interessen der Gleichstellungsbeauftragten der 14 staatlichen Universitäten und Hochschulen in Sachsen. Sie legt dabei besonderen Wert auf die Perspektivenvielfalt der unterschiedlichen Hochschultypen. Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Künstlerische Hochschulen  sind in ihrer Organisation und hinsichtlich ihrer Stammdaten (u.a. Größe, Anzahl Studierende/Mitarbeitende, Lehrbelastung, Professorinnenquote) keinesfalls homogen. Dies ist im Kontext von Überlegungen zur künftigen Umsetzung des neuen SächsGG zu berücksichtigen. Als anzuhörende Stelle trifft die LaKoG Sachsen zum Referent:innenentwurf eine Einschätzung wie folgt:

  1. Grundsätzlich begrüßt die LaKoG Sachsen die längst überfällige Novellierung des SächsFFG von 1994. Sie erkennt die politische Motivation an, die Gleichstellungsarbeit im Freistaat Sachsen zu stärken, und sieht im vorgelegten Entwurf eine gute Weiterentwicklung des bisherigen Status Quo der Frauenförderung.
  2. Ebenfalls als fortschrittlich und positiv werden die transparenten und verbindlichen Regelungen zur Freistellung sowie zur Zuordnung von Mitarbeiter:innen und weiteren Ressourcen für Gleichstellungsbeauftragte eingeschätzt. Dies ist notwendige Grundlage für gelingende Gleichstellungsarbeit an sächs. Universitäten und Hochschulen. Aus Sicht der LaKoG Sachsen ist der unbestimmte Geltungsbereich des § 13 (4) SächsGG jedoch zumindest in der Gesetzesbegründung näher zu erläutern. Formulierungen wie „soweit (…) nichts Abweichendes geregelt ist“ entspringen zwar der notwendigen Hochschulautonomie in der Regelungskompetenz des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes (SächsHSFG), können jedoch auch missverstanden werden.
    So sieht das SächsHSFG in §56 seiner Novelle beispielsweise nur eine „angemessene“ Entlastung der Gleichstellungsbeauftragten vor. Die Bewertung der Angemessenheit obliegt grundsätzlich den jeweiligen Hochschulleitungen, weshalb die an den sächs. Universitäten und Hochschulen tätigen Gleichstellungsbeauftragten und ihre Stellvertretungen zum überwiegenden Teil ehrenamtlich, ohne Freistellung und ohne minimale personelle und sächliche Ressourcen tätig sind. Gerade durch den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Erfüllungsaufwand wird aber deutlich, dass das hier federführende Ministerium die detaillierten Regelungen des SächsGG, wie beispielsweise die Beteiligungspflichten oder die Entlastung, selbstverständlich auch an den Hochschulen zur Anwendung gebracht sehen möchte. Wir empfehlen daher nachdrücklich dies (zumindest in der Begründung) deutlicher zu benennen.
  3. Die LaKoG Sachsen unterstützt die verbindlichen Freistellungsregelungen des Gesetzes für Gleichstellungsbeauftragte. Aufgrund der finanziellen und personellen Ausstattung der Hochschulen sollte das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWKT) die Bereitstellung entsprechender Personalstellen sicherstellen. Gerade an Künstlerischen Hochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften werden die Entlastungsregelungen zu einem Mehrbedarf führen, der aus den Hochschulen kaum finanziert werden kann. Um die vollständige Umsetzung des SächsGG zu gewährleisten, sollte das SMWKT ggf. im Rahmen der Haushaltsberatungen zusätzliche Planstellen beantragen.
  4. Die LaKoG Sachsen begrüßt die Regelungen zur Stellvertretung in § 14 SächsGG. Die bisherige Regelung im SächsHSFG, dass es zwar Stellvertretungen geben muss, diese aber „Verhinderungsvertretungen“ sind und keine dauerhaften Aufgaben übertragen bekommen können, widerspricht gängiger Praxis und der notwendigen Arbeitsteilung. Ggf. sollte aber im Gesetz (oder in der Gesetzesbegründung) des SächsGG die Möglichkeit der Aufteilung der Freistellung zwischen den Gleichstellungsbeauftragten und ihren Stellvertretungen dezidierter Erwähnung finden.
  5. Als Gesetz zur Frauenförderung weist der Referent:innenentwurf zahlreiche fortschrittliche Maßnahmen im Kontext einer gleichberechtigten beruflichen Entwicklung (Abschnitt 2) und der Vereinbarkeit von Familie und Pflege mit der Berufstätigkeit (Abschnitt 3) auf. Positiv hervorzuheben ist z.B. die eingeforderte konsequente Berücksichtigung der Bedarfe für mobile Arbeitsbedingungen in allen Fachbereichen und Funktionsebenen (Abschnitt 3, §10) sowie die Einführung von Kontakthalteroutinen für aufgrund von Familien- oder Pflegeaufgaben beurlaubte Beschäftigte (Abschnitt 3, §12).
  6. Der Referent:innenentwurf unterstützt die Beschäftigung in Teilzeit zur Durchsetzung von beruflicher Gleichberechtigung (so in der Gestaltung von Stellenausschreibungen, vgl. Abschnitt 2, §5, Satz 2). Auch soll die Vereinbarkeit von Familie und Pflege mit der Berufstätigkeit z.B. durch die grundsätzliche Bewilligung von Anträgen zwecks Teilzeitbeschäftigung/ Beurlaubung zur Wahrnehmung von Familien- oder Pflegeaufgaben befördert werden (Abschnitt 3, §11).

Teilzeitbeschäftigung erhöht im praktischen Alltag zwar zunächst die Flexibilität, verschärft jedoch mittel- bis langfristig durch verloren gegangene Rentenansprüche die Altersarmut gerade bei Frauen. Neben dem ohnehin virulenten Gender Pay Gap arbeiten viele Frauen – meist um die Kinder betreuen zu können – in Teilzeit oder haben lange Unterbrechungen in ihrer Erwerbstätigkeit, um eine Familie zu gründen oder Angehörige zu pflegen. Ein Wiedereinstieg in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitsstunden gestaltet sich dann oft als schwierig.

Das ist der Gender Pension Gap: Frauen zahlen laut Allianz im Schnitt zwölf Jahre weniger in die gesetzliche Rentenversicherung ein als Männer Mitteilung: „Weniger Rente als Männer: warum das Frauen im Alter nerwartet trifft“ – (Letzter Zugriff: 30.01.2023). Ohne ganz reelle Gegensteuerung durch die arbeitgebenden Stellen, z.B. durch einen deutlich höheren freiwilligen Beitrag in die Rentenversicherung, erhöht eine gesetzliche Bewerbung des Teilzeitmodells die Gleichberechtigung daher (noch) nicht überzeugend. Abschließend möchte die LaKoG ihr Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass der vorliegende Entwurf zu einem Gleichstellungsgesetz zwar deutliche Fortschritte im Bereich der Frauenförderung vorsieht, aktuelle gleichstellungspolitische Diskurse aber nicht berücksichtigt.

Insbesondere vermissen wir Maßnahmen zur Integration von Personen, die nicht in binären Kategorien verortet sind und andere Lebensentwürfe als den der Familie mit Kindern für sich gewählt haben. Damit werden auf einer institutionellen Ebene Geschlechterstereotypen reproduziert und manifestiert. Da dieser verkürzte Ansatz auch in der jüngsten Novelle zum SächsHSFG implementiert ist, sind für die kommenden Jahre wichtige Chancen vertan, um Teilhabegerechtigkeit und Zugehörigkeitsgefühl verschiedener Geschlechtsidentitäten im Sinne von TIN* (Trans-, Inter-, Nicht-Binär) -klusiven Hochschulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zu unterstützen.